Viele machen es, die wenigsten reden darüber: Pornos schauen. Das liegt auch an der oft billigen Machart. Dass erotische Filme ästhetisch ansprechend sein können, beweist dagegen der in Berlin lebende Filmemacher Noel Alejandro.
Der Regisseur Noel Alejandro greift in seinen Filmen unterschiedlichste Themen auf: Gewalt, Einsamkeit, Depressionen. Doch was sie eint, ist der Sex, den die männlichen Darsteller ausnahmslos immer miteinander haben. Und der wird nicht nur angedeutet, sondern explizit gezeigt: Alejandro dreht erotische Filme.
Was diese von den meisten Pornos à la PornHub und Co. unterscheidet, ist die Machart. Denn die Filme sind professionell gedreht; Alejandros Filmcrew besteht aus über 20 Personen mit Licht, Ton und Kamera. Auch die Sexszenen unterscheiden sich von den meisten Mainstream-Pornos. In Alejandros Filmen geht es nicht hemmungslos und brachial zu, sondern meist ganz menschlich und intim.
rbb|24: Noel Alejandro, was hat Sie dazu motiviert, erotische Filme zu drehen?
Noel Alejandro: Ich habe selten Pornos für Schwule gesehen, die schön produziert waren, die tatsächlich eine Handlung erzählen. Und wenn es mal eine Handlung gab, glich sie meistens einer Parodie. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Macher dieser Pornos ihre eigenen Werke nicht ernst nehmen. Genau das wollte ich ändern.
Sie bezeichnen Ihre Filme selbst meist als erotische Filme, nicht als Pornos. Worin liegt für Sie der Unterschied?
Die Mainstream-Pornos, die wir auf den gängigen Websites finden, sind für die meisten Zuschauer:innen nur Mittel zum Zweck. Ich hoffe, dass die Zuschauer:innen meine Filme eben nicht nur wegen der Sex-Szenen schauen, sondern auch wegen der Geschichte, die erzählt wird. Zudem haben wir eine große Crew, die alles daran setzt, dass unsere Filme einen ästhetischen Anspruch erfüllen. Es geht in meinen Filmen nicht nur darum, zwei Menschen zu zeigen, die miteinander Sex haben. Der Sex ist immer Teil einer größeren Story. Und trotzdem sind meine Filme für mich auch Pornos. Ich habe aber manchmal meine Probleme damit, sie so zu bezeichnen. Der Begriff Porno ist negativ konnotiert; die meisten verbinden damit etwas Schmuddeliges.
Es geht Ihnen also auch darum, unsere Sehgewohnheiten zu ändern. In Ihren Filmen sehen wir dennoch meistens nur Männer, die einem konventionellen Schönheitsideal entsprechen.
Das sehe ich nicht so. In den Mainstream-Schwulenpornos sehen wir hypermaskuline aufgepumpte Männer. In meinen Filmen sieht man auch mal dünne und untrainierte Männer. Für mich ist es wichtiger, dass die Darsteller Charisma vor der Kamera versprühen.
Sind Mainstream-Pornos problematisch?
Ich finde sie nicht per se problematisch. Ich finde aber, dass wir Alternativen zu dem brauchen, was wir sonst so im Internet finden. Dennoch schaue ich auch selbst Mainstream-Pornos. Sie müssen aber authentisch sein. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich gekünstelten Sex zu sehen bekomme, dann mache ich den Film aus.
Bei Ihren Filmen blenden Sie am Anfang ein, dass die Darsteller auf Geschlechtskrankheiten getestet werden und selbst darüber entscheiden können, ob sie Kondome benutzen oder nicht. Warum ist es Ihnen wichtig, diese Informationen mit den Zuschauer:innen zu teilen?
Wenn du einen Film produzierst und veröffentlichst, bildest du deine Zuschauer:innen in gewisser Weise. Viele Menschen nutzen Pornos als Instrument zur Sexualaufklärung. Ich habe das gleiche getan, als ich jünger war. Ich habe Sachen, die ich in Pornos gesehen habe, in mein Sexleben integriert. Deshalb tragen Filmemacher:innen meiner Meinung nach auch eine gewisse Verantwortung.
Wenn wir schon bei Ihren Zuschauer:innen sind: Wer schaut Ihre Filme eigentlich?
Vor allem Männer, die auf Männer stehen, im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Aber auch viele Frauen schauen meine Filme. Das hat mich, um ehrlich zu sein, überrascht.
Sie möchten den Sex in Ihren Filmen so natürlich wie möglich darstellen. Wie gelingt das, wenn die Darsteller von einer mehrköpfigen Filmcrew beobachtet werden?
Wenn die Darsteller Sex haben, versuchen wir, so wenige Menschen wie möglich am Set zu sein. Zudem gebe ich ihnen keine Anweisungen. Ich lasse die Darsteller einfach Sex haben und bin dabei ein stiller Beobachter.
Beim Sex geht auch mal was schief; man bekommt keinen hoch oder kommt zu schnell. Wie gehen Sie damit um, wenn so etwas am Set passiert?
Sollte ein Darsteller sich mal nicht konzentrieren können und keinen hoch bekommen, dann verlässt meistens die ganze Filmcrew das Set. Wie durch ein Wunder funktioniert dann alles wieder innerhalb von Minuten. Wenn jemand mal nicht kommen kann, ist das nicht so schlimm – dann kommt diese Person nicht. Wir müssen nicht zwingend eine Ejakulation im Film zeigen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Noel Alejandro führte Christopher Ferner.
Original link: https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2022/01/regisseur-noel-alejandro-sex-filme-gewalt-einsamkeit-depressione.html